Der Absturz des deutschen Eishockeys Donnerstag, 7. Mai 2009 Sechs mit Gummi - der Absturz des deutschen EishockeysSechs mit Gummi die eishockey.net-Kolumne. Der Absturz des deutschen Eishockeys. Seit nunmehr 1992 ist Franz Reindl Sportdirektor beim DEB , seit 1996 General-Manager und seit 2004 DEB-Generalsekretär. Nach dieser, aus deutscher Sicht erbärmlichen Weltmeisterschaft, reklamiert Franz Reindl Reformen. Das ist einerseits richtig, andererseits inkonsequent, denn er ist, zumindest für Stagnation, also Rückschritt, seit zwei Spielergenerationen für die Misere des deutschen Eishockeys mitverantwortlich, hat er doch bei der Gründung der DEL , beim Kooperationsvertrag zwischen DEL, DEL-Clubs, ESBG , ESBG-Clubs und DEB seine Finger mit im Spiel gehabt.
Es ist also zu vermuten, daß vernünftige Reformen mit Franz Reindl gar nicht möglich sind. Konsequent wäre es, er würde Reformen reklamieren und mit gutem Beispiel vorangehen und zurücktreten. Es alleine an Franz Reindl festzumachen wäre zweifelsfrei zu einfach. Die Misere war ja nicht erst mit dieser Weltmeisterschaft offenbar geworden. Die Gründung der DEL in Jahre 1994 (Geschäftsführer waren Franz Reindl und Franz Hofherr) ging einher mit einer Aufblähung von 12 auf 18 Vereine. Daß dann tatsächlich nicht komplett 18 Vereine erstligareife Kader zur Verfügung hatten versteht sich von selbst. Auch schon seinerzeit wurde eine „Geschlossene Gesellschaft“ beschlossen. Früh begannen dann auch die Negativ-Schlagzeilen. Schon ein halbes Jahr nach Ligastart meldete der amtierende Meister, Maddogs München, Konkurs an. Offensichtlich hatten die für die Lizenzierung zuständigen Geschäftsführer es nicht so genau genommen und das auch noch sehenden Auges. Franz Hofherr war schließlich Ex-Präsident der Münchener. Ein Jahr später mußte DEB-Präsident Ulf Jäkel wegen Kungelei zurücktreten.
1995 begann mit einem Streit zwischen dem neuen DEB-Präsidenten Rainer Gossmann (Düsseldorf) und dem Wortführer der DEL-Clubs, Bernd Schäfer III (Köln). Die DEL-Clubs wünschten eine weitere Abnabelung vom DEB. Einschneidend sollte auch die vor dem Europäischen Gerichtshof am 15.Dezember 1995 gefällte Bosman-Entscheidung (das sogenannte Bosman-Urteil) das Gesicht der Liga verändern. Fortan konnten neben den beiden Ausländern unbeschränkt EU-Ausländer mit Profiverträgen ausgestattet werden. Gewachsene Mannschaftsstrukturen wurden aufgegeben, sportliche Abstiegssorgen hatte keiner, da es ja keinen Abstiegskampf mehr gab. Der Großteil der Liga wurde uninteressant. Der normale Eishockey-Fan konnte sich mit seiner Mannschaft, mit der Liga und den vielen Spielen um die goldene Ananas nicht mehr identifizieren.
Hinzu kam am 1. November 1996 die Änderung der Ladenschlusszeiten. Selbst bis jetzt nicht abgeschreckte Fans konnten einfach nicht mehr ihren Verein unterstützen. Ein enormer Zuschauerrückgang war die Folge mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Es dauerte schließlich bis zur Saison 2001/2002 bis das bei Gründung ausgegebene Ziel erreicht wurde, zwei Saisons hintereinander mit jeweils gleichen Teams zu bestreiten. Gravierender wirkte sich die Bosman-Entscheidung jedoch auf die bayerischen Nachwuchsschmieden des Deutschen Eishockeys aus. Nach jeweiligem Vertragsablauf entfielen die Ausbildungsentschädigungen und DEL-Clubs konnten billig Nachwuchskräfte rekrutieren. Der später eingerichtete „Reindl-Pool“ konnte nur unzureichenden Ausgleich schaffen, da der Reindl-Pool sich u.a. nicht auf die Vereine der LEVs erstreckte. Für manchen DEL-Club bedeutet bis heute die Nachwuchsarbeit rein gar nichts. 1997/1998 begann eine neue Ära. Der EC Ratingen wurde nach Oberhausen verfrachtet. Am neuen Standort, ohne jegliche Eishockeytradition, war man zunächst neugierig. Doch das ging schnell vorbei. Auch kam es vor, daß an manchen Spieltagen die Multifunktionsarena durch Kaninchenzüchtervereine blockiert war. Spieltage wurden verzerrt. Die Tabelle ergab schiefe Bilder. Es entstanden immer weitere Hallen, die vielfach durch Investoren hochgezogen wurden. Diese Investoren wünschten Planungssicherheit. Sportlicher Auf- und Abstieg war verpönt.
Natürlich sind nur genutzte Hallen für Investoren sinnvoll. Die Folge waren aufgeblähte und verzerrte Terminkalender, unsägliche Dienstags- und Donnerstagsspielpläne. Wenn z.B. in innerhalb einer Woche drei Heimspiele auf dem Terminplan standen, dann muss sich das eine Familie schon überlegen welche Spiele sie besucht. Hier wird dann klar selektiert. Volle Hallen waren und sind ein Traum. Natürlich haben diese neuen Hallen ein erhebliches Plus an Komfort. Sponsoren und VIPs frieren halt nicht gern. Aber es immer doch noch immer eine Wintersportart. Wenn man so will, wurde die DEL eine erstklassige Verpackung. Doch was war drin? Die DEL wurde zum Büttel der Investoren. Der Sport blieb auf der Strecke. „Organisationen“ (nicht mehr Clubs), die sportlich ihre Ziele nicht mehr erreichen konnten, reduzierten während der Saison ihre Kosten, in dem Spieler entlassen wurden. Durch diese Wettbewerbsverzerrung (Duisburg als Paradebeispiel, die abgelaufene Saison Köln) wurden weitere Zuschauer abgeschreckt. Eingeschoben sei erwähnt, daß der Anschütz-Club aus Hamburg immer dann seine Punkte gegen den Anschütz-Club Berlin geholt hat, wenn er sie brauchte. Hätte Berlin in der abgelaufenen Saison durch die höheren Kapazitäten der neuen Arena nicht für Ausgleich gesorgt, der allgemeine Zuschauerschwund wäre deutlich zu Tage getreten. So konnte sich die DEL die Zahlen nach wie vor schönreden. Für den Schwund sprechen insbesondere Hamburg, Köln und Düsseldorf. Düsseldorf hatte lediglich das Glück durch die Playoffs. Man hatte eine Derbyserie über vier Heimspiele und durch Halbfinale und Finale zusätzliche 4 Heimspiele. Köln hatte diese Saison rund 200.000 weniger Zuschauer als letzte Saison!
Auch die Absteiger seit der ersten Saison sind gute Beispiele:
* 2 sportliche Absteiger * 1 Absteiger durch Insolvenz * 7 Absteiger durch Rückzug (finanzielle Probleme) * 5 Absteiger durch Lizenzentzug
Stellt sich also nur die Frage, für wen die Verpackung „DEL“ eigentlich da ist, für den Sport oder die Investoren.
Fazit:
Als allererstes gehören die einzelnen Ligen reformiert und reduziert. Die DEL, 1. Liga oder wie auch immer, darf mit maximal 12 Vereinen an den Start gehen. Die 2. Liga kämpft mit den gleichen Problemen wie die Oberliga (vgl. Kolumne „Quo Vadis Oberliga – Von der Eliteliga zur Paria). Deshalb eine 2. Liga Nord und eine 2. Liga Süd mit jeweils 10, maximal 12 Vereinen. Darunter vier Regionalliegen in den Händen der Landesverbände mit jeweils 10 bis 12 Vereinen. Spieltage immer freitags und sonntags.
Es müssen über alle Ligen wieder Auf- und Abstiegsregelungen mit Playoffs und Playdowns eingeführt werden.
Die Lizenzen für Nicht-EU-Ausländer müssen auf maximal 4 Spieler begrenzt werden. Es spielen zuviele mittelmäßige Nicht-EU-Ausländer in den einzelnen Ligen.
Falls die Ligen mit gleichen Kontingentstellen ausgestattet sind, könnte man auch über eine Relegation in der Auf- und Abstiegsfrage sprechen.
Es gilt gezielt Nachwuchs zu rekrutieren. Dazu gehört es auch, daß die Kinder erst einmal lernen richtig sich auf dem Eis zu bewegen. Die derzeitigen läuferischen Defizite unserer Nationalspieler sind eklatant.
Tatsache ist, daß es heute wesentlich weniger Nachwuchs als noch in den 60er Jahren gibt. Natürlich ist es auch deshalb schwieriger Kinder für den Eishockeysport zu begeistern. Als erstes sollte Kindern beigebracht werden, daß Eishockey auf Schlittschuhen und nicht mit der Play-Station gespielt wird. Die Vereine müssen ihre Hallen den Schulen zugänglich machen. Falls Kooperationen mit Schulen geschlossen werden können, dann müssen sich auch die Vereinstrainer um die Schulen kümmern.
Gefallen würde mir, ähnlich wie im Fußball, eine Local-Player-Regelung, abgestuft über mehrere Jahre. Wer nicht ausbildet, der muß in einen Fördertopf zahlen und zwar schmerzhaft. Aus diesem Fördertopf müssen Landesstützpunkttrainer, Trainerausbildung etc. bezahlt werden. Die Verbesserung der Trainingsqualität im Nachwuchsbereich ist zur Zeit das Wichtigste.
Außerdem müssen ausbildende Vereine bei wechselnden Spielern eine Ausbildungsvergütung erhalten, über alle Ligen. Diese Vergütung sollte in den Satzungen/Statuten mit 5 % bis 15 % des Jahressalärs pro Jahr und Vertrag, je nach Liga, festgeschrieben werden. Ferner könnte dies über den Umweg Fördertopf laufen, mit dem z.B. infrastrukturelle Probleme der ausbildenden Vereine behoben werden.
Auch muß die Altersstruktur der Nachwuchsjahrgänge überdacht werden. Von der DNL bis zur DEL ist es, von absoluten Ausnahmen abgesehen (wo aus der Not eine Tugend gemacht wird – siehe Köln) zu weit. Eine Juniorenmannschaft neben einer DNL-Mannschaft ist nicht wirklich sinnvoll. Also DNL-Alter ein Jahr nach oben verschieben.
Diese Aufbauarbeit wird mindestens 10 Jahre dauern. In diesen 10 Jahren werden wir in der Tat nur zweitklassig sein. Mit welchen Personen ist das machbar?
Franz Reindl scheidet aus. Ein Uwe Harnos, der in seiner ganzen Ohnmacht so etwas wie „Aufstiegspflicht“ daher faselt sicherlich auch nicht.
Uwe Krupp als Nationaltrainer. Da wird es schon schwierig. Er muß an seiner Kommunikation dringendst arbeiten. Seine Entscheidungen müssen viel transparenter werden. Für das derzeitige Material kann er nichts und zwei oder drei andere Spieler bei der WM hätten am Ergebnis nichts geändert.
Das alles hört sich sicherlich nach Planwirtschaft an. Anders sind die Probleme des Deutschen Eishockeys aber nicht zu bewältigen. Wie so oft, stinkt der Fisch vom Kopf her. Leider fehlen die Personen, die grundlegende Reformen durchsetzen können. Das liegt leider auch mit an den Vereinen, die sich selbst nicht grün und abhängig von Investoren sind. Der Blick über den Tellerrand ist deshalb versperrt.
Natürlich kann das alles nur ein Denkansatz sein. Ändern wird sich aber nur dann etwas, wenn die „Organisationen“ und Verbände endlich merken, worum es eigentlich geht. Die nächste Pleite und der nächste Absturz kommen bestimmt.